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Unternehmer und Wirtschaftsverbände erhöhen den Druck auf Politik und EU: Sie fordern entschlossenen Bürokratieabbau, eine klarere deutsche Position in Brüssel, pragmatische Einwanderungsregeln für Geringqualifizierte und eine stärkere Fokussierung auf europäische Exportmärkte. Gleichzeitig zeigen aktuelle Zahlen und Entwicklungen, wie sehr Unternehmen unter regulatorischen Lasten, Arbeitskräftemangel und internationalen Krisen leiden – und wie kontrovers die Debatte um Reformen geführt wird.
Unternehmer fordern Bürokratieabbau und klarere Position Deutschlands in der EU
Die deutsche Wirtschaft leidet weiterhin unter einer hohen Bürokratielast. Unternehmer fordern von der EU ein weiteres Einlenken und von der Bundesregierung, insbesondere von Kanzler Merz, eine lautere deutsche Stimme in Brüssel. Im Mai verabschiedete das EU-Parlament das sogenannte Omnibus IV-Paket, das unter anderem eine Aufweichung des Lieferkettengesetzes, weniger Nachhaltigkeitsberichte und weniger bürokratischen Aufwand für die Einfuhr energieintensiv erzeugter Güter wie Stahl oder Dünger vorsieht. Künftig sollen umfangreiche Dokumentationspflichten für den sogenannten "CO2-Zoll" nur noch für Großimporteure gelten. Die Regelung soll im kommenden Jahr vollständig in Kraft treten, sofern die Mitgliedstaaten zustimmen.
Der Wirtschaftsrat der CDU hat eine 18-seitige Fallsammlung mit konkreten Belastungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) vorgelegt. Darin werden unter anderem die Kennzeichenpflicht für den grenzüberschreitenden Transport von Gütern, Regelungen zu Cybersicherheit und Datenschutz sowie die Entwaldungsverordnung der EU kritisiert. Haiko Schulz, Direktor des Filk Freiberg Institute, berichtet, dass allein für die Umsetzung von drei EU-Verordnungen künftig ein Mitarbeiter ausschließlich mit Dokumentationspflichten beschäftigt sein wird. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) lobt den Vorstoß der EU, fordert aber weitere substanzielle Veränderungen.
"Kleine und mittlere Unternehmen spüren die regulatorischen Lasten besonders stark. Bürokratieabbau ist kein Randthema, sondern eine zentrale Voraussetzung für einen starken Wirtschaftsstandort Europa." (Wolfgang Steiger, Wirtschaftsrat der CDU)
Gleichzeitig gibt es Kritik von NGOs und einzelnen Politikern an der Lockerung der EU-Gesetze. Acht Organisationen haben Beschwerde gegen die Europäische Kommission eingelegt und bemängeln die "undemokratische, intransparente und überstürzte Art und Weise" der Gesetzesänderungen. Sie sehen starke Nachhaltigkeitsgesetze als Schlüssel zum Wettbewerbsvorteil der EU.
- Omnibus IV-Paket: Bürokratieabbau, Lockerung Lieferkettengesetz, weniger Nachhaltigkeitsberichte
- Kritik an Entwaldungsverordnung, Datenschutz und Cybersicherheitsregeln
- NGOs fordern Erhalt starker Nachhaltigkeitsgesetze
Infobox: Die deutsche Wirtschaft fordert nachhaltigen Bürokratieabbau und eine stärkere Vertretung ihrer Interessen in Brüssel. Die EU hat erste Schritte eingeleitet, doch viele Unternehmen sehen weiterhin erheblichen Handlungsbedarf. (Quelle: T-Online)
Wirtschaft fordert leichtere Einwanderung auch für Geringqualifizierte
Angesichts sinkender Flüchtlingszahlen und eines zunehmenden Mangels an gering qualifizierten Arbeitskräften fordern Unternehmen und Verbände eine offenere und pragmatischere Zuwanderungspolitik. Thomas Ogilvie, Personalvorstand der Deutschen Post, betont, dass nur durch gezielte Erwerbsmigration die Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt gemeistert werden können. Besonders für sogenannte Basistätigkeiten sei eine Förderung der Erwerbsmigration notwendig.
Auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) und die Deutsche Bahn AG sprechen sich für vereinfachte Verfahren aus. Sandra Warden, Geschäftsführerin der Dehoga, betont, dass es nicht ausreiche, ausschließlich auf formal qualifizierte Fachkräfte zu setzen. Gastronomie, Paketdienstleister und Transportunternehmen gehörten in den letzten zehn Jahren zu den wichtigsten Arbeitgebern für Flüchtlinge.
Jährliche Schulabgänger ohne Abschluss | knapp 40.000 |
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Menschen (20-34 Jahre) ohne Berufsabschluss/Studium | 2,9 Millionen |
- Forderung nach vereinfachten Einwanderungsverfahren für Geringqualifizierte
- Wichtige Branchen: Gastronomie, Post, Bahn, Transportunternehmen
- Hoher Anteil junger Menschen ohne Abschluss in Deutschland
Infobox: Die Wirtschaft sieht in einer gezielten Zuwanderung von Geringqualifizierten eine wichtige Lösung gegen den Arbeitskräftemangel. Trotz hoher Zahlen an Menschen ohne Abschluss in Deutschland bleibt der Bedarf an ausländischen Arbeitskräften hoch. (Quelle: WELT)
Neue Zahlen: Hessens Exportwirtschaft setzt auf Europa
Die hessische Exportwirtschaft bleibt stark auf Europa ausgerichtet. Im Mai 2025 gingen fast 90 Prozent aller Warenausfuhren aus Hessen an europäische Handelspartner. Von insgesamt 1,1 Millionen Tonnen exportierter Waren landeten 968.263 Tonnen in europäischen Ländern. Spitzenreiter ist Frankreich mit 133.700 Tonnen, gefolgt von den Niederlanden mit 122.011 Tonnen.
Drei Viertel aller hessischen Exporte – genau 832.381 Tonnen – gingen an EU-Partner. Die Eurozone profitierte mit über 602.000 Tonnen besonders von der gemeinsamen Währung. Asien folgt als zweitwichtigster Kontinent mit 73.703 Tonnen, wobei China mit 34.413 Tonnen auf Platz zehn der wichtigsten Einzelmärkte liegt. Amerika nimmt mit 54.701 Tonnen den dritten Platz ein, angeführt von den USA mit 35.035 Tonnen.
Land | Exportmenge (Tonnen) |
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Frankreich | 133.700 |
Niederlande | 122.011 |
Polen | 106.806 |
Italien | 99.935 |
Belgien | 92.571 |
Schweiz | 74.546 |
Österreich | 50.712 |
Tschechien | 43.663 |
USA | 35.035 |
China | 34.413 |
Die wichtigsten Warengruppen sind Ernährungswirtschaft (98.137 Tonnen), Mineralölerzeugnisse (74.753 Tonnen), Papier und Pappe (75.763 Tonnen), Kunststoffe (76.488 Tonnen), Steine und Erden (73.058 Tonnen), Düngemittel (68.104 Tonnen) sowie Fahrzeugteile und -zubehör (59.824 Tonnen).
Infobox: Europa bleibt der wichtigste Absatzmarkt für hessische Unternehmen, mit Frankreich und den Niederlanden an der Spitze. Die Exportstruktur ist weiterhin stark auf die Nachbarländer ausgerichtet. (Quelle: HNA)
Russlands Wirtschaft: Insolvenzen nehmen zu, hohe Leitzinsen belasten Unternehmen
Russlands Wirtschaft befindet sich in einer schweren Krise, die immer mehr Unternehmen in die Insolvenz treibt. Die russische Zentralbank hat den Leitzins zur Bekämpfung der Inflation auf 20 Prozent angehoben. Laut einem Bericht des Zentrums für makroökonomische Analyse und kurzfristige Prognosen (CMASF) werden bis Ende 2024 bei 20 Prozent der russischen Firmen Zinszahlungen in Höhe von zwei Dritteln des bereinigten Gewinns anfallen – ein "riskantes Niveau". Die Zahl der Firmen, deren Vertragspartner vor Zahlungsausfällen stehen, ist von 20 auf 37 Prozent gestiegen.
Besonders betroffen ist die Baubranche, die für 2025 noch mehr Insolvenzen erwartet. Alexey Krapivin, CEO des russischen Baugiganten NatsProektStroy, sieht die hohen Leitzinsen als Investitionshemmnis. Auch der Kohlesektor steht unter Druck: Mehr als ein Viertel der russischen Kohleunternehmen sind betroffen, 51 Unternehmen wurden laut Energieministerium entweder stillgelegt oder stehen kurz davor. Die Verluste des Kohlesektors werden bis Ende 2024 auf 112,6 Milliarden Rubel (1,44 Milliarden Dollar) geschätzt.
Leitzins (Juni 2025) | 20 Prozent |
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Firmen mit Zinszahlungen von 2/3 des Gewinns (Ende 2024) | 20 Prozent |
Firmen mit Vertragspartnern vor Zahlungsausfall | 37 Prozent |
Kohleunternehmen stillgelegt/kurz vor Schließung | 51 |
Verluste Kohlesektor (Ende 2024) | 112,6 Mrd. Rubel (1,44 Mrd. Dollar) |
Überfällige Unternehmenskredite (Q1 2025) | 4 Prozent |
Die russische Zentralbank führte ab 1. April 2025 einen Risikogewichtszuschlag von 20 Prozent für Kredite und Anleihen großer Unternehmen mit hohem Fremdkapitalanteil ein. Forderungen nach einer weiteren Zinssenkung werden lauter, doch die Zentralbank bleibt bei ihrer restriktiven Geldpolitik mit dem Ziel, die Inflation bis 2026 auf vier Prozent zu senken.
Infobox: Die russische Wirtschaft steht unter massivem Druck durch hohe Zinsen und steigende Insolvenzen, besonders in Bau- und Kohlebranche. Die Zentralbank hält an ihrer restriktiven Geldpolitik fest. (Quelle: Merkur)
Steuerzahlerbund lobt Privatisierungspläne für Landesgestüt Redefin
Der Bund der Steuerzahler Mecklenburg-Vorpommern begrüßt die Pläne von Agrarminister Till Backhaus (SPD), für das defizitäre Landesgestüt Redefin einen privaten Betreiber zu suchen. Landesgeschäftsführer Sascha Mummenhoff betont, dass dieser Schritt richtig und notwendig sei. Ziel ist es, den Charakter Redefins als Ort des Pferdesports, der Pferdezucht, der Ausbildung und der Kultur zu erhalten. Derzeit schießt das Land für den Betrieb 1,7 Millionen Euro pro Jahr zu.
Kritik kommt von der CDU im Landtag. Thomas Diener, Agrarexperte der CDU-Landtagsfraktion, fordert einen belastbaren Plan statt "schöner Worte" und warnt davor, dass Redefin nicht weiter ein "Fass ohne Boden" bleiben dürfe. Das geplante Modell sieht vor, dass das Land weiterhin die Verantwortung für den Denkmalschutz trägt, während ein privater Betreiber ein umfangreiches reitsportliches und touristisches Angebot entwickeln kann.
- Landesgestüt Redefin: jährliches Defizit von 1,7 Millionen Euro
- Privatisierungspläne werden vom Steuerzahlerbund begrüßt
- CDU fordert konkreten und belastbaren Plan
Infobox: Das Landesgestüt Redefin soll privatisiert werden, um den Steuerzahler zu entlasten und den Standort zu erhalten. Die Pläne stoßen auf Zustimmung beim Steuerzahlerbund, aber auch auf Kritik aus der Opposition. (Quelle: SZ.de)
Einschätzung der Redaktion
Die Forderung nach einem konsequenten Bürokratieabbau und einer klareren Positionierung Deutschlands in der EU ist ein zentrales Signal für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts. Die aktuellen Maßnahmen der EU, wie die Lockerung von Berichtspflichten und die Fokussierung auf Großimporteure beim CO2-Zoll, sind erste Schritte, reichen aber für viele Unternehmen nicht aus. Gerade kleine und mittlere Unternehmen benötigen spürbare Entlastungen, um Innovationskraft und Wachstum zu sichern. Gleichzeitig zeigt die Kritik von NGOs, dass der Spagat zwischen wirtschaftlicher Entlastung und ambitionierten Nachhaltigkeitszielen eine der größten Herausforderungen der europäischen Wirtschaftspolitik bleibt. Eine stärkere und klarere Interessenvertretung Deutschlands in Brüssel könnte dazu beitragen, praktikable und zugleich zukunftsfähige Rahmenbedingungen zu schaffen.
- Bürokratieabbau bleibt für die Wettbewerbsfähigkeit Europas essenziell.
- Die Balance zwischen Entlastung der Wirtschaft und Nachhaltigkeitszielen ist weiterhin umstritten.
- Eine aktivere Rolle Deutschlands in der EU könnte die Interessen der Unternehmen wirksamer vertreten.
Quellen:
- Unternehmer klagen an: Was die deutsche Wirtschaft am stärksten belastet
- Wirtschaft fordert leichtere Einwanderung auch für Geringqualifizierte
- Wirtschaft von oben #337 – SpaceX in Texas: Wie geht es jetzt weiter mit Musks Megaraumschiff Starship?
- Neue Zahlen zur hessischen Wirtschaft zeigen: Großmächte spielen bei Exporten nur kleine Rolle
- Abwärtstrend in Russlands Wirtschaft: Immer mehr Firmen geraten in die Insolvenz
- Steuerzahlerbund lobt Privatisierungspläne für Landesgestüt