Inhaltsverzeichnis:
Die wirtschaftlichen Herausforderungen Russlands, die Suche der EU nach Alternativen zur WTO, der akute Gewerbeflächenmangel in Wiesbaden, neue Impulse in der Produktivitätsforschung und milliardenschwere Steuerentlastungen für die deutsche Wirtschaft – der aktuelle Pressespiegel beleuchtet zentrale Entwicklungen, die Märkte und Unternehmen in Europa und darüber hinaus prägen.
Russlands Wirtschaft: Ausbleibende Investitionen und die Rolle des globalen Südens
Russland steht nach Jahren wirtschaftlicher Resilienz vor einer Rezession. Der russische Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow äußerte auf dem Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg, dass die Wirtschaft laut aktuellen Zahlen eine Abkühlung erfahre und Unternehmer bereits an der Grenze zur Rezession stünden. Besonders problematisch ist das Ausbleiben ausländischer Investitionen. Laut UNCTAD zog Russland im Jahr 2024 rund 3,35 Milliarden Dollar an ausländischen Direktinvestitionen (FDI) an – ein Rückgang um 91 Prozent gegenüber 2021 und der niedrigste Wert seit 2001.
Die Hoffnung, dass der globale Süden als neuer Geldgeber einspringt, hat sich bislang nicht erfüllt. Eine Studie des Bank of Finland Institute for Emerging Economies zeigt, dass der russische Anteil an in China gesammelten FDIs von rund 1,0 Prozent (2015 bis 2020) auf 0,3 Prozent (2021 bis 2023) gesunken ist, was 8,9 Milliarden US-Dollar entspricht. Im Vergleich dazu hielt die EU 2021 rund 255 Milliarden Euro an FDIs in Russland, während die USA auf 12,3 bis 39,1 Milliarden US-Dollar kamen.
Die westlichen Sanktionen, der Ausschluss Russlands aus dem SWIFT-Bankensystem und die Enteignung von Assets erschweren den Zahlungsverkehr und machen Investitionen riskant. Auch ehemalige Sowjetstaaten wie Kasachstan und Kirgisistan entfernen sich zunehmend von Russland und profitieren von den Sanktionen, indem sie russische Unternehmen verdrängen und Produktionsflüsse umleiten. Das BRICS-Bündnis bringt Russland bislang wenig wirtschaftlichen Aufschwung, da China vor allem eigene Vorteile sucht und beispielsweise beim Ankauf russischen Gases große Preisabschläge durchsetzt.
„Den Zahlen nach haben wir eine Abkühlung, den aktuellen Empfindungen der Unternehmer nach sind wir schon an der Grenze zum Übergang in eine Rezession.“ (Maxim Reschetnikow, russischer Wirtschaftsminister, zitiert nach Merkur)
Jahr | FDI in Russland (Mrd. USD) | Veränderung zu 2021 |
---|---|---|
2024 | 3,35 | -91 % |
- Russlands Anteil an chinesischen FDIs: 1,0 % (2015-2020) → 0,3 % (2021-2023)
- FDI der EU in Russland 2021: 255 Mrd. Euro
- FDI der USA in Russland: 12,3 bis 39,1 Mrd. USD (Projektion)
Infobox: Die russische Wirtschaft leidet massiv unter dem Rückgang ausländischer Investitionen. Der globale Süden springt nicht als Ersatz für den Westen ein, und die wirtschaftlichen Beziehungen zu ehemaligen Sowjetstaaten verschlechtern sich weiter. (Quelle: Merkur)
EU diskutiert über Ersatz für die WTO
Die Europäische Union denkt über einen Ersatz für die Welthandelsorganisation (WTO) nach, da diese zunehmend als handlungsunfähig gilt. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen brachte beim EU-Gipfel in Brüssel eine „Neugestaltung“ der WTO ins Gespräch. Bundeskanzler Friedrich Merz sprach von einer „neuen Art von Handelsorganisation“, die schrittweise die WTO ersetzen könnte, insbesondere im Bereich der Streitbeilegung.
Die WTO leidet seit Jahren unter wachsendem Protektionismus, veralteten Regeln und der Blockade ihres Berufungsgremiums. Die USA weigern sich, Richterstellen nachzubesetzen, da sie dem Schiedsgericht Kompetenzüberschreitungen vorwerfen. Reformen scheiterten bislang an der Uneinigkeit der Mitglieder. Von der Leyen sieht in der Kooperation mit der transpazifischen Partnerschaft CPTPP einen möglichen Anfang für die Neugestaltung der WTO, die derzeit mehr als 166 Mitgliedstaaten hat.
- WTO seit Jahren blockiert, insbesondere durch die USA
- EU erwägt neue Mechanismen zur Streitbeilegung in Handelsabkommen
- CPTPP als möglicher Partner für eine Neugestaltung
Infobox: Die EU sucht nach Alternativen zur WTO, um den freien Handel auf regelbasierter Grundlage zu sichern. Die Blockade der WTO durch die USA und die Uneinigkeit der Mitglieder erschweren Reformen. (Quelle: SZ.de)
Wiesbaden: Wirtschaft leidet unter Gewerbeflächenmangel
Wiesbaden steht vor einem akuten Mangel an Gewerbeflächen, was das wirtschaftliche Wachstum der Stadt bedroht. Die Stadt hat in den letzten Jahren wenig unternommen, um Erweiterungen und Neuansiedlungen von Unternehmen zu fördern. Stattdessen wurden Gewerbeflächen in Wohngebiete umgewandelt und die Gewerbesteuer erhöht. Die letzte große Fläche in einem Gewerbegebiet soll der Landespolizei zugesprochen werden, während im Ostfeld kein Gewerbe, sondern ein Campus für das Bundeskriminalamt entstehen soll.
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) ist unzufrieden mit der Entwicklung. Fast 40 Prozent der expandierenden Unternehmen erwägen, die Stadt zu verlassen. Wiesbaden verfügt aktuell über fast 600 Hektar Gewerbeflächen, benötigt aber bis 2040 weitere 250 Hektar. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass dieses Ziel erreicht wird. Die sprudelnden Gewerbesteuereinnahmen sind für die Stadtfinanzen essenziell, doch ohne neue Flächen droht ein Rückgang.
- Aktuelle Gewerbeflächen: ca. 600 Hektar
- Zusätzlicher Bedarf bis 2040: 250 Hektar
- Fast 40 % der expandierenden Unternehmen denken über Wegzug nach
Infobox: Wiesbaden droht wirtschaftlicher Stillstand durch fehlende Gewerbeflächen. Die Stadt muss dringend neue Flächen schaffen, um Unternehmen zu halten und Wachstum zu ermöglichen. (Quelle: FAZ)
Produktivitätsforschung: Wissenschaftlicher Workshop in Berlin
Der Sachverständigenrat für Wirtschaft richtet gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland den dritten wissenschaftlichen Workshop zum Thema Produktivität aus. Der Workshop findet am 25. und 26. September 2025 im Europäischen Haus in Berlin statt. Forschende können ihre aktuellen Beiträge zu Produktivitätsentwicklungen und -treibern vorstellen und diskutieren.
Die Keynote hält Prof. Ulrich Doraszelski, Ph.D. von der Wharton School der Universität Pennsylvania. Interessierte werden gebeten, ihre Arbeitspapiere oder einen erweiterten Abstract bis zum 20. Juli 2025 einzureichen. Die Entscheidungen zur Teilnahme werden Anfang August bekannt gegeben.
- Workshop-Termin: 25. und 26. September 2025
- Ort: Europäisches Haus, Berlin
- Keynote: Prof. Ulrich Doraszelski, Wharton School
- Einreichungsfrist: 20. Juli 2025
Infobox: Der Workshop bietet eine Plattform für den Austausch aktueller Forschungsergebnisse zur Produktivität und richtet sich an Wissenschaftler aus dem In- und Ausland. (Quelle: Sachverständigenrat für Wirtschaft)
Wachstumsbooster für die deutsche Wirtschaft: Steuerentlastungen und Investitionsanreize
Der Bundestag hat ein Gesetz beschlossen, das milliardenschwere Steuerentlastungen für Unternehmen vorsieht, um die deutsche Wirtschaft zu stärken. Ein zentrales Element ist die Möglichkeit einer degressiven Abschreibung von Maschinen, Geräten und Fahrzeugen mit jährlich 30 Prozent von 2025 bis 2027. Dadurch können Unternehmen ihre Investitionen schneller steuerlich geltend machen und erhalten schneller Liquidität für neue Investitionen.
Ab 2028 soll die Körperschaftsteuer schrittweise von derzeit 15 Prozent auf 10 Prozent im Jahr 2032 gesenkt werden. Die Gesamtsteuerbelastung für Unternehmen soll dann knapp 25 statt aktuell knapp 30 Prozent betragen. Für betrieblich genutzte Elektroautos wird die steuerliche Abschreibung im Kaufjahr auf 75 Prozent der Kosten erhöht, und die Preisgrenze für die Förderung steigt von 70.000 auf 100.000 Euro. Die Maßnahmen gelten für E-Fahrzeuge, die zwischen Ende Juni dieses Jahres und Ende 2027 angeschafft werden.
Die Forschungszulage wird von 2026 bis 2030 auf eine Bemessungsobergrenze von zwölf Millionen Euro angehoben und auf zusätzliche Gemein- und sonstige Betriebskosten ausgeweitet. Die Steuerentlastungen belaufen sich auf rund 48 Milliarden Euro, wovon die Kommunen 13,5 Milliarden Euro, die Länder 16,6 Milliarden Euro und der Bund 18,3 Milliarden Euro tragen sollten. Nach Verhandlungen übernimmt der Bund die Steuerausfälle der Kommunen bis 2029 vollständig und investiert zusätzlich acht Milliarden Euro in Bildung und Krankenhäuser, um die Länder zu entlasten.
Maßnahme | Details |
---|---|
Degressive Abschreibung | 30 % jährlich (2025-2027) |
Körperschaftsteuer | 15 % (jetzt) → 10 % (2032) |
Förderung E-Autos | 75 % Abschreibung im Kaufjahr, Preisgrenze 100.000 € |
Forschungszulage | Obergrenze 12 Mio. € (2026-2030) |
Steuerentlastung gesamt | 48 Mrd. € |
- Kommunen: 13,5 Mrd. € Steuerausfälle
- Länder: 16,6 Mrd. € Steuerausfälle
- Bund: 18,3 Mrd. € Steuerausfälle
- Zusätzliche Investitionen des Bundes: 8 Mrd. € (2026-2029)
Infobox: Der „Wachstumsbooster“ soll die deutsche Wirtschaft mit Steuererleichterungen und Investitionsanreizen ankurbeln. Die Maßnahmen sind befristet und werden von Experten unterschiedlich bewertet. (Quelle: Rundschau Online)
Einschätzung der Redaktion
Die drastisch gesunkenen ausländischen Direktinvestitionen und die fehlende Kompensation durch den globalen Süden markieren einen Wendepunkt für Russlands Wirtschaft. Die strukturelle Abhängigkeit von westlichem Kapital und Technologie wird durch die aktuellen Entwicklungen schonungslos offengelegt. Die wirtschaftliche Isolation Russlands verschärft sich, da selbst strategische Partner wie China primär eigene Interessen verfolgen und keine substanzielle Stütze bieten. Die Abkehr ehemaliger Sowjetstaaten und die Umleitung von Produktionsflüssen schwächen die russische Position im postsowjetischen Raum zusätzlich. Die Kombination aus Sanktionsdruck, Investitionsrückgang und geopolitischer Entkopplung erhöht das Risiko einer anhaltenden Rezession und könnte langfristig zu einer nachhaltigen Schwächung der russischen Wirtschaftskraft führen.
- Russland verliert rapide an Attraktivität für internationale Investoren.
- Der globale Süden bleibt als Ersatzmarkt weitgehend aus.
- Die wirtschaftliche Isolation und der Sanktionsdruck verschärfen die strukturellen Probleme.
Quellen:
- Wirtschaft vor acht
- Kalte Dusche für Putin – lässt der globale Süden Russlands Wirtschaft hängen?
- EU denkt über WTO-Ersatz nach - Wirtschaft - SZ.de
- Wiesbaden: Wirtschaft leidet unter Gewerbeflächenmangel
- Scientific Workshop on productivity
- Rundschau-Debatte des Tages: Was taugt der „Wachstumsbooster“ für die deutsche Wirtschaft?