Inhaltsverzeichnis:
Die baden-württembergische Industrie kämpft mit schwachen Exporten, die Debatte um den Mindestlohn spitzt sich zu, ein neues EU-Siegel soll Milliarden an Investitionen in Europa halten, Russland forciert die Militarisierung seiner Wirtschaft und die Deutsche Bahn steht vor einer strategischen Neuausrichtung – der aktuelle Pressespiegel beleuchtet die zentralen wirtschaftlichen Herausforderungen und Weichenstellungen im In- und Ausland.
Industrie in Baden-Württemberg: Exporte bleiben unter Druck
Die baden-württembergische Industrie sieht weiterhin keine grundlegende Wende bei ihren Auslandsgeschäften. Laut dem Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) dominiert bei den Exporterwartungen in den kommenden Monaten die Zurückhaltung. 27,5 Prozent der befragten Unternehmen erwarten schwierige Zeiten, während zu Jahresbeginn noch 30 Prozent diese Einschätzung teilten. Nur knapp 26 Prozent setzen auf bessere Geschäfte, ein leichter Anstieg gegenüber den 24 Prozent zu Jahresbeginn.
Ein wesentlicher Belastungsfaktor ist der Handelskonflikt zwischen den USA und Europa. Besonders betroffen sind die Schlüsselbranchen Autoindustrie und Maschinenbau, die stark vom Export abhängig sind. BWIHK-Vize Claus Paal betonte, dass der Export, der lange als Stabilitätsanker galt, nun ins Wanken gerät. Die Unternehmen stufen das internationale Umfeld zunehmend als Risiko ein: 56 Prozent der Industrieunternehmen sehen geopolitische Spannungen als ernstzunehmenden Risikofaktor, ein deutlicher Anstieg gegenüber 44 Prozent zu Jahresbeginn. Damit rangieren geopolitische Risiken nun auf Platz drei der größten Geschäftsrisiken, hinter schwächelnder Inlandsnachfrage (70 Prozent) und steigenden Arbeitskosten (59 Prozent).
Risiko | Anteil der Unternehmen |
---|---|
Schwächelnde Inlandsnachfrage | 70 % |
Steigende Arbeitskosten | 59 % |
Geopolitische Spannungen | 56 % |
Die Erwartungen an den Handel mit Nordamerika sind durch die US-Zollpolitik besonders gedämpft. Nur knapp 19 Prozent der Industrieunternehmen rechnen mit steigenden Ausfuhren in die USA (Jahresbeginn: knapp 34 Prozent), während gut 41 Prozent einen Rückgang erwarten. Für das Exportgeschäft in Richtung USA gehen sogar 53 Prozent der befragten Betriebe von sinkenden Exporten aus, nur 14 Prozent glauben an einen Anstieg. Im ersten Quartal 2025 stagnierte der Außenhandel Baden-Württembergs erstmals seit zwei Jahren: Die Exporte erreichten rund 61,6 Milliarden Euro, das Vorjahresniveau. Die Einfuhren sanken um 0,7 Prozent auf 54,2 Milliarden Euro. Die USA bleiben wichtigster Handelspartner, obwohl die Exporte dorthin um 1,8 Prozent auf 8,7 Milliarden Euro zurückgingen.
- 27,5 % der Unternehmen erwarten schwierige Zeiten im Export
- Nur 26 % hoffen auf bessere Geschäfte
- Exporte in die USA: -1,8 % auf 8,7 Mrd. Euro
Infobox: Die baden-württembergische Industrie sieht sich weiterhin mit schwierigen Exportbedingungen konfrontiert. Geopolitische Risiken und der Handelskonflikt mit den USA belasten die Erwartungen. (Quelle: SZ.de)
Mindestlohn: Debatte um Anhebung auf 15 Euro
Im Streit um die künftige Höhe des Mindestlohns in Deutschland wächst der Druck auf die Mindestlohnkommission. Die Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern befinden sich in der Schlussphase, ein Ergebnis soll bis zum 30. Juni vorliegen. Der Sozialverband Deutschland fordert einen Mindestlohn von 15,12 Euro, wie die Vorsitzende Michaela Engelmeier erklärte.
Die SPD fordert, dass der Mindestlohn spätestens ab 2026 bei 15 Euro liegen müsse, um den EU-Vorgaben zu entsprechen, nach denen die Lohnuntergrenze mindestens 60 Prozent des mittleren Einkommens erreichen soll. Derzeit liegt der Mindestlohn bei 12,82 Euro pro Stunde. Arbeitgeber warnen vor gravierenden ökonomischen Folgen einer deutlichen Erhöhung. Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander betonte, ein Mindestlohn von 15 Euro würde in der längsten Wirtschaftskrise seit Gründung der Bundesrepublik schwere wirtschaftliche Schäden anrichten.
„Ein Mindestlohn von 15 Euro würde in der längsten Wirtschaftskrise seit Gründung der Bundesrepublik schwere wirtschaftliche Schäden anrichten.“ (Oliver Zander, Gesamtmetall)
Der Deutsche Gewerkschaftsbund sieht einen angemessenen Mindestlohn auf Basis der EU-Vorgaben bei 15,27 Euro für 2026. Die Arbeitgeber argumentieren, dass 15 Euro ein Anstieg von über 76 Prozent in zehn Jahren bedeuten würden. Die Mindestlohnkommission orientiert sich unter anderem an der Tarifentwicklung und am Referenzwert von 60 Prozent des Bruttomedianlohns, kann aber bei besonderen ökonomischen Umständen davon abweichen. Zuletzt wurde die Erhöhung auf 12,82 Euro nicht einvernehmlich beschlossen, die Vorsitzende Christiane Schönefeld stimmte mit den Arbeitgebern.
- Aktueller Mindestlohn: 12,82 Euro
- Forderung Sozialverband: 15,12 Euro
- SPD-Ziel: 15 Euro ab 2026
- DGB-Berechnung: 15,27 Euro für 2026
Infobox: Die Debatte um den Mindestlohn bleibt kontrovers. Während Gewerkschaften und Sozialverbände eine deutliche Anhebung fordern, warnen Arbeitgeber vor wirtschaftlichen Schäden. (Quelle: SZ.de)
Neues EU-Siegel für Fonds: Mehr Investitionen in Europa
Mit einem neuen Gütesiegel für Finanzprodukte wie Fonds wollen Frankreich und weitere EU-Länder Investitionen von Sparerinnen und Sparern in Europa halten. Der französische Finanzminister Éric Lombard erklärte, dass mit dem sogenannten „Finance Europe“-Siegel etwa ETFs ausgezeichnet werden können, die überwiegend in Europa investieren. Auch Deutschland, Estland, Spanien, Portugal, Luxemburg und die Niederlande unterstützen die Initiative.
In der EU gibt es mehr als 30 Billionen Euro an privaten Ersparnissen, überwiegend in Bargeld und Einlagen. Jährlich werden rund 300 Milliarden Euro an Ersparnissen europäischer Bürger ins Ausland umgeleitet, vor allem in die USA. Das neue Siegel soll dazu beitragen, mehr Kapital für Investitionen in Verteidigung, den grünen Wandel und die digitale Transformation in Europa zu generieren. Für diese Hauptprioritäten werden bis 2030 zusätzliche 800 Milliarden Euro benötigt.
Kennzahl | Wert |
---|---|
Private Ersparnisse in der EU | über 30 Billionen Euro |
Jährlich ins Ausland abfließende Ersparnisse | 300 Milliarden Euro |
Zusätzlicher Investitionsbedarf bis 2030 | 800 Milliarden Euro |
Produkte mit dem Siegel müssen mindestens 70 Prozent im europäischen Wirtschaftsraum investieren und eine Mindestinvestitionsdauer von fünf Jahren einhalten. Das Siegel soll ab dem kommenden Jahr vergeben werden können. Lombard betonte, dass es angesichts der geopolitischen Lage wichtig sei, dass Bürger ihr Land und die EU unterstützen.
- Siegel für Fonds, die 70 % in Europa investieren
- Mindestinvestitionsdauer: 5 Jahre
- Start der Vergabe: voraussichtlich ab kommendem Jahr
Infobox: Das neue EU-Siegel für Fonds soll Kapital in Europa halten und gezielt in strategisch wichtige Bereiche lenken. (Quelle: SZ.de)
Russland: Putin kündigt Ausbau der Rüstungsindustrie an
Beim Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg bekräftigte Kremlchef Wladimir Putin den russischen Anspruch auf die Ukraine und drohte erstmals mit einer möglichen Eroberung der Gebietshauptstadt Sumy. Putin erklärte, dass russische Truppen im Nordosten der Ukraine eine Pufferzone errichten, die bisher zehn bis zwölf Kilometer tief ins Land reicht. Die Frontlinie verläuft nur etwa 18 Kilometer von der Stadtgrenze entfernt. Putin sagte: „Wo der Fuß eines russischen Soldaten steht, das gehört uns.“
„In dem Sinn ist die ganze Ukraine unser“, erklärte Putin unter großem Beifall im Saal.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reagierte empört und betonte, dass Russland keinen Frieden wolle. Außenminister Andrij Sybiha erklärte, wohin immer ein russischer Soldat seinen Fuß setze, bringe er Tod und Zerstörung. Putin kündigte zudem an, die russische Rüstungsindustrie weiter auszubauen und die Trennung zwischen zivilen und reinen Rüstungsfirmen aufzuheben. Trotz Warnungen seines Wirtschaftsministers Maxim Reschetnikow vor einer möglichen Rezession betonte Putin, dass Stagnation oder Rezession nicht zugelassen werden dürfe.
- Russland errichtet Pufferzone in der Ukraine (10-12 km tief)
- Frontlinie 18 km von Sumy entfernt
- Putin kündigt Ausbau der Rüstungsindustrie an
Infobox: Putin setzt auf eine weitere Militarisierung der russischen Wirtschaft und bekräftigt expansive Ansprüche in der Ukraine. (Quelle: Tagesspiegel)
Deutsche Bahn: Strategie bis Spätsommer angekündigt
Der neue Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) will bis zum Spätsommer eine Strategie für die kriselnde Deutsche Bahn erarbeiten. Im Fokus stehen dabei die Zukunft des Bahnchefs Richard Lutz und die generelle Ausrichtung des Unternehmens. Schnieder betonte, dass kurzfristige personelle Änderungen an der Unternehmensspitze nicht zielführend seien. Vielmehr müsse die Bahn pünktlich, zuverlässig und sauber werden sowie über eine vernünftige Infrastruktur verfügen.
Im vergangenen Jahr waren die Fernzüge der Bahn so unpünktlich wie noch nie seit der Bahnreform. Für dieses Jahr strebt der Konzern eine Pünktlichkeitsquote von 65 bis 70 Prozent bei ICE- und IC-Zügen an. Die Probleme liegen vor allem in der maroden und überlasteten Infrastruktur. Die umfassende Sanierung von mehr als 40 vielbefahrenen Strecken soll die Zuverlässigkeit verbessern, doch die CDU bleibt skeptisch. Die Generalsanierungen sollen grundsätzlich fortgeführt, aber im Detail überprüft werden. Die letzte Strecke würde damit erst Mitte der 2030er Jahre fertig werden, statt wie bisher geplant 2031.
- Strategie für die Bahn bis Spätsommer
- Pünktlichkeitsziel 2024: 65-70 %
- Sanierung von über 40 Strecken, Fertigstellung bis Mitte der 2030er Jahre
Infobox: Die Bahn steht vor grundlegenden Reformen. Infrastruktur und Zuverlässigkeit sollen verbessert werden, eine neue Strategie ist in Arbeit. (Quelle: Die Rheinpfalz)
Einschätzung der Redaktion
Die anhaltende Exportzurückhaltung in der baden-württembergischen Industrie ist ein deutliches Warnsignal für die gesamte deutsche Wirtschaft. Die hohe Abhängigkeit zentraler Branchen wie Automobil und Maschinenbau vom Auslandsgeschäft macht die Region besonders anfällig für geopolitische Spannungen und protektionistische Tendenzen. Die gestiegene Risikowahrnehmung in Bezug auf das internationale Umfeld zeigt, dass die Unternehmen zunehmend mit Unsicherheiten kalkulieren müssen, was Investitionen und Innovationen hemmen kann. Die schwache Inlandsnachfrage und steigende Arbeitskosten verschärfen die Lage zusätzlich. Sollte sich die Exportdynamik nicht erholen, drohen mittelfristig Arbeitsplatzverluste und ein Rückgang der industriellen Wertschöpfung in einer der wichtigsten Wirtschaftsregionen Europas.
- Exportabhängigkeit erhöht die Krisenanfälligkeit
- Geopolitische Risiken und Handelskonflikte belasten die Planungssicherheit
- Schwache Inlandsnachfrage und steigende Kosten verschärfen die Herausforderungen
Quellen:
- Außenhandel - Industrie sieht noch keine Erholung bei Exporten - Wirtschaft - SZ.de
- Einkommen - Vor der Entscheidung: Kommen 15 Euro Mindestlohn? - Wirtschaft - SZ.de
- Finanzprodukte - Erspartes für Europa: Siegel für Fonds auf den Weg gebracht - Wirtschaft - SZ.de
- Russlands Wirtschaft: Putin will russische Rüstungsindustrie ausbauen
- Was Trumps Zollpolitik für die Wirtschaft in der Aachener Region bedeutet
- Verkehrsminister kündigt Bahn-Strategie bis Spätsommer an