Der deutsche Mittelstand steht vor einer Zerreißprobe: Der demografische Wandel und der akute Fachkräftemangel bedrohen nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch die Existenz vieler Unternehmen. Gleichzeitig werfen milliardenschwere Sondervermögen und fehlende Reformen Fragen nach der Zukunftsfähigkeit der Wirtschaftspolitik auf. Wie können Unternehmen und Politik gemeinsam gegensteuern, um Wachstum und Stabilität zu sichern? Ein Blick auf aktuelle Analysen und Umfragen zeigt die Dringlichkeit der Herausforderungen.
Demografischer Wandel: Mittelstand in Deutschland unter Druck
Der Fachkräftemangel stellt den deutschen Mittelstand vor erhebliche Herausforderungen. Laut einer Umfrage der Förderbank KfW erwarten knapp 60 Prozent der mittelständischen Unternehmen in den nächsten fünf Jahren Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen. Besonders alarmierend ist, dass ein Drittel der Firmen ihre Existenz mittel- bis langfristig bedroht sieht. In Ostdeutschland äußerten sogar 39 Prozent der Unternehmen diese Sorge, während es im Westen 31 Prozent sind. Besonders betroffen ist das Baugewerbe, wo 10 Prozent der Befragten ihre Existenz „auf jeden Fall“ und weitere 29 Prozent „eher“ bedroht sehen. Die KfW-Umfrage, an der 2.494 Unternehmen teilnahmen, zeigt zudem, dass viele Betriebe planen, ihre Attraktivität als Arbeitgeber durch höhere Gehälter und flexiblere Arbeitszeiten zu steigern. Quelle: Süddeutsche Zeitung - SZ.de (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/demografischer-wandel-personalmangel-im-mittelstand-ein-drittel-bangt-um-existenz-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-250311-930-400114)
Sondervermögen und Megaschulden: Wirtschaftliche Perspektiven
Die Einigung von CDU, CSU und SPD auf ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Infrastrukturinvestitionen sorgt für gemischte Reaktionen. Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts, begrüßt die geplanten Verbesserungen bei steuerlichen und regulatorischen Bedingungen, warnt jedoch vor „Konsum auf Pump“. Er fordert eine klare „Zusätzlichkeitsklausel“, um sicherzustellen, dass die Schulden tatsächlich für zusätzliche Investitionen genutzt werden. Auch Wirtschaftsverbände wie die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) mahnen, dass die Ausgabenspielräume nicht notwendige Sparmaßnahmen und Reformen verhindern dürfen. Kritisiert wird zudem, dass Themen wie Wohnungsbau und digitale Infrastruktur in den Sondierungen zu kurz kommen. Quelle: BR24 (https://www.br.de/nachrichten/wirtschaft/sondervermoegen-und-megaschulden-was-die-wirtschaft-davon-haelt,Uf3JeBI)
Analyse: Fehlende Reformen gefährden Neustart der Wirtschaft
Die Wirtschaft hatte große Hoffnungen auf einen Neustart der Wirtschaftspolitik gesetzt, doch das Sondierungspapier der möglichen neuen Regierung enttäuscht. Positiv hervorgehoben wird die geplante Senkung der Stromsteuer und der Ausbau von Gaskraftwerken. Kritisiert wird jedoch, dass das Sondervermögen für Infrastruktur als „Verschiebebahnhof“ genutzt wird, um ökonomisch fragwürdige Wohltaten zu finanzieren. Reformen, die langfristig Wachstum und Stabilität sichern könnten, bleiben aus. Quelle: Rheinische Post (https://rp-online.de/politik/analyse-und-meinung/sondierunsgespraeche-so-wird-das-nichts-mit-dem-neustart-der-wirtschaft_aid-125033829)
Der demografische Wandel und der damit einhergehende Fachkräftemangel stellen den deutschen Mittelstand vor eine existenzielle Herausforderung. Die Ergebnisse der KfW-Umfrage verdeutlichen, dass die Problematik nicht nur punktuell, sondern flächendeckend und branchenübergreifend spürbar ist. Besonders alarmierend ist die Situation im Baugewerbe, das ohnehin eine Schlüsselrolle für die wirtschaftliche Entwicklung und Infrastruktur spielt. Die regionalen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland zeigen zudem, dass strukturelle Schwächen in bestimmten Regionen die Problematik verschärfen. Die geplanten Maßnahmen der Unternehmen, wie höhere Gehälter und flexiblere Arbeitszeiten, sind zwar ein Schritt in die richtige Richtung, dürften jedoch nicht ausreichen, um die strukturellen Probleme zu lösen. Hier sind auch politische Maßnahmen gefragt, etwa durch gezielte Zuwanderungspolitik, Investitionen in Bildung und Ausbildung sowie die Förderung von Innovationen, um die Produktivität zu steigern und den Arbeitskräftemangel zumindest teilweise zu kompensieren.
Das geplante Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Infrastrukturinvestitionen ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits bietet es die Chance, dringend benötigte Investitionen in Bereiche wie Verkehr, Digitalisierung und Energieversorgung zu tätigen, die für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft essenziell sind. Andererseits birgt die Finanzierung über Schulden erhebliche Risiken, insbesondere in einem Umfeld steigender Zinsen. Die Forderung nach einer „Zusätzlichkeitsklausel“ ist daher berechtigt, um sicherzustellen, dass die Mittel tatsächlich für neue Projekte und nicht für die Umwidmung bestehender Ausgaben verwendet werden. Die Kritik, dass zentrale Themen wie Wohnungsbau und digitale Infrastruktur zu kurz kommen, ist ebenfalls berechtigt, da diese Bereiche nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich von enormer Bedeutung sind. Ohne eine klare Priorisierung und langfristige Strategie droht das Sondervermögen zu einem ineffizienten Instrument zu werden, das die Schuldenlast erhöht, ohne nachhaltige Impulse zu setzen.
Die Analyse zur fehlenden Reformbereitschaft der möglichen neuen Regierung unterstreicht ein zentrales Problem der deutschen Wirtschaftspolitik: den Mangel an langfristigen und strukturellen Reformen. Während kurzfristige Maßnahmen wie die Senkung der Stromsteuer oder der Ausbau von Gaskraftwerken positive Signale senden, fehlt es an einer umfassenden Strategie, die auf nachhaltiges Wachstum und Stabilität abzielt. Die Kritik am „Verschiebebahnhof“ des Sondervermögens ist berechtigt, da die Gefahr besteht, dass Mittel für populistische Maßnahmen statt für zukunftsorientierte Investitionen verwendet werden. Ohne tiefgreifende Reformen in Bereichen wie Steuerpolitik, Bürokratieabbau und Innovationsförderung droht Deutschland, im internationalen Wettbewerb weiter zurückzufallen. Die aktuelle Wirtschaftspolitik scheint eher auf kurzfristige Effekte als auf langfristige Weichenstellungen ausgerichtet zu sein, was die ohnehin angespannte wirtschaftliche Lage weiter verschärfen könnte.
Quellen:
- Demografischer Wandel - Personalmangel im Mittelstand: Ein Drittel bangt um Existenz - Wirtschaft
- Sondervermögen und Megaschulden – Was die Wirtschaft davon hält | BR24
- Bequeme Schulden statt unbequeme Reformen: So wird das nichts mit dem Neustart der Wirtschaft
- Update Wirtschaft vom 11.03.2025
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